Heute Morgen war ich bei einem katholischen Trauergottesdienst für die Beisetzung eines guten Freundes in Brandenburg. Die katholischen Anwesenden wurden während der Trauerfeier zum Abendmahl eingeladen, die nicht- katholischen Gäste konnten sich zumindest segnen lassen. Als ich als einer der Letzten an der Reihe war, zog der Priester auf einmal von dannen und packte die Oblaten wieder ein. Was war das? Ich war überrascht.  „Steht auf meiner Stirn, dass ich evangelisch bin? Aber was sollte er dagegen haben?“,  raunte ich der unbekannten Frau hinter mir zu.  – „ Vielleicht steht auf meiner Stirn, dass ich aus der Kirche ausgetreten bin?“ erwiderte sie mir daraufhin mit schelmischen Grinsen. Ich musste lachen, doch alles in allem ließ mich die Situation nicht los, da sie mein Barmherzigkeitsverständnis anfragte.  Nach der Trauerfeier ging ich zu dem Geistlichen, mit den Worten Jakobs, die ich gerade am Sonntag von der Kanzel verkündet hatte: „Ich lasse dich nicht los, du segnest mich denn“. Jakob musste auch um seinen Segen streiten, um ihn zu bekommen. Dafür wurde er von Gott mit dem Ehrennamen Israel – übersetzt „Gottesstreiter“-betitelt.  Eine spannende Geschichte: Jakob kommt nach langer Zeit seinem Bruder Esau entgegen, von dem er sich im Streit getrennt hatte.  Kurz vor dem langen  Wiedersehen mit seinem Bruder Esau, macht sich Jakob Sorgen, ob er von ihm friedlich empfangen wird. Er ist auf dem Weg über den Fluss Jabbok. Sein ganzes Lager und seine Familie schreitet voraus, er bleibt am Jabbok für eine Nacht allein zurück. Plötzlich stellte sich ihm ein Mann entgegen und kämpfte mit ihm bis zum Morgengrauen. (1. Mose 32,25).  Anfangs weiß Jakob gar  nicht, wer ihn da plötzlich packt. Es ist dunkel. Jakob denkt, er wird überfallen. Er weiß ja nicht, worum es geht, und muss mit dem Schlimmsten rechnen. Sie kämpfen die ganze Nacht, doch irgendwann muss Jakob verstanden haben, dass dieser Mann Gott selbst oder ein Gottesbote sein muss: anders wäre Jakob’s Forderung am Morgen „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“ (1. Mose 32, 27) nicht zu verstehen.  Manche Interpreten meinen sogar, es war der Erzengel Michael, dem wir jetzt  am 29. September 2021 zum Michaelistag gedenken.

In diesem Kampf geht es handfest zu: der unbekannte Mann lässt sogar Jakobs Hüfte verrenken, was diesen nicht abschreckt: er hält an dem Mann fest: bis dieser ihn wegdrückt „Lass mich los“, sagt der Mann, „der Morgen dämmert schon!“ Aber Jakob erwiderte: „Ich lasse dich nicht eher los, bis du mich gesegnet hast!“  Jakob – sein ganzes Leben hat er immer gekämpft, um nicht zu kurz zu kommen. Bei der Geburt hielt er seinen Zwillingsbruder an der Ferse fest. Schon da wollte der Zweitgeborene nicht zurückstehen. Aber nun wird Jakob klar, was er wirklich braucht. Gottes Segen. Gottes Zuspruch. Er muss nicht mit allen Tricks kämpfen, damit er nicht zu kurz kommt. Was er braucht, bekommt er hier. Vom lebendigen Gott. Der ihn in dieser Nacht gestellt hat, um ihm das klar zu machen. An Gottes Zuwendung und Begleitung allein liegt es, ob Jakobs Leben gelingt, ob er sich mit seinem Bruder versöhnen kann. Mehr braucht er nicht.

Ich merke auch, wie wichtig der Segen für mich in den letzten Tagen geworden ist. So wichtig, dass ich ihn mir sogar erkämpfe. Am Ende legt der katholische Priester die Hand auf meinen Kopf und segnet mich, er war wohl wirklich etwas schusselig und hatte die letzten Kommunikanten übersehen. Mit seinem Segen kann ich in Frieden von ihm ziehen und auch Frieden mit der Abschiedsfeier meines Freundes finden. Segen ist wichtig, der Zuspruch auf meinem Weg.  Dieser Segen für meinen zukünftigen Lebensweg wurde mir in den letzten Tagen überhaupt sehr bedeutsam. Ich bin keine Freundin von großen Abschieden; und der Verabschiedungsgottesdienst war groß. Im Nachhinein merke ich aber, wie wichtig der Segenszuspruch für mein Weitergehen, der mir durch die Kreisoberpfarrerin Friedrich-Berenbruch, dem Konvent und der Gemeinde im Gottesdienst zugesprochen worden war,  geworden ist. Der Segen ist wie ein Frieden, der sich in mein Herz gelegt hat, damit ich beschwingt fortschreiten kann. Ich möchte allen danken, die mich schweren Herzens und ja auch unter Tränen losgelassen haben: denn ich  hätte euch nicht gelassen, es sei denn ihr segnetet mich denn! Mit dem Zuspruch auf meinem Weg, kann ich nun bereit sein und die neuen Aufgaben mit Freuden angehen. Ich weiß, dass die Gefängnisseelsorge viele Erfahrungen, die ich in der Gemeinde gemacht habe, wieder auf dem Kopf stellen wird;  doch dieser Dienst wird mich mächtig schulen und wer weiß, ob ich nicht eines Tages zurück nach Anhalt mit neuen segensreichen Erfahrungen kommen werde. Der Segen Gottes führe auch Sie, liebe Gemeinde, zu einem Leben in Zuversicht und Zufriedenheit, denn an diesem Segen ist alles gelegen. Der Herr segne und behüte dich, er lasse leuchten sein Angesicht über dir und schenke dir seinen Frieden!

Ihre dankbare, mit vielen Erfahrungen und Geschichten reich beschenkte Gemeindepfarrerin Ulrike Bischoff, 27. September 2021

Beitragstitelbild: Der Jakobskampf, Bildautor: Gerd Eichmann https://upload. wikimedia.org/wikipedia/commons/7/70/Jerusalem-Menora-50-Jakobs_Kampf_mit_dem_Engel-2010-gje.jpg

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